Donnerstag, 18. Mai 2017
Emojionen
Ich muss mich outen: Ich hasse Emojis.

Damit will ich die kleinen Knuddelviecher weder fertigmachen, noch behaupten dass ich sie nicht inflationär benutze; früher bei ICQ war ich ein Smiley-Meister und führe heutzutage mit der neuen Vielfalt von WhatsApp ganze Konversationen ausschließlich mit ihnen. Mit dem Knutschabdruck, dem Daumen-hoch und dem Eichhörnchen. Mit und ohne Nuss, je nach Bedarf.
Nur ist dieses Ge-WhatsApp-e ja eine meist irrsinnig schnelle Kommunikation, zumindest bei mir. Oft zwischen Tür und Angel und mal-eben-schnell und so, und das auch noch mit meiner enormen Wortverliebtheit. So fix kann ich mit meinen kurzen Fingern gar nicht tippsen, und swypen geht mit meinem neuen Fon auch nicht mehr so gut wie mit meiner geliebten alten Galaxy-Ace-2-Krücke, Ruhe in Pfrieden, Honey. Emojis sind beim WhatsAppen und SMSen einfach irre praktisch.

Gut, ich muss meine Aussage vom Anfang revidieren: Ich hasse Emojis nicht, denn sie sind eine extreme Erleichterung meiner eigenen Chatsprache und mörderpraktisch. Außerdem so putzig! Ich liebe das Einhorn! Und den blauen Schmetterling!

Aber so süß und praktisch Emojis auch sind, sie sind leider die natürlichen Feinde meiner eigentlichen Lieblinge. Gemeinsam mit den Emojis bedrohen außerdem Zeitnot und Faulheit ihren natürlichen Lebensraum, sie engen sie ein und ersticken sie. Das ist so traurig!

Eines meiner liebsten Zitate lautet:
Heute habe ich keine Zeit, deswegen schreibe ich Dir einen langen Brief.

Ich weiß leider grad gar nicht mehr, woher diese unglaubliche Wahrheit überhaupt stammt, doch ich habe sie ziemlich oft im Sinn, wenn ich schreibe. Kurze und präzise Texte erfordern eben viel Arbeit, und gerade mir fallen sie in der Regel extrem schwer. Wortverliebtheit und so, und dieses schlimme, chronische Adverbienleiden, das ich einfach nicht loswerde. Am liebsten mache ich einfach viel zu viele Worte. Und wiederhole alles nochmal unnötig. Ganz viel in meinen Texten sind Wiederholungen und unnötig.
Naja, und wenn es beim Chatten eben schnell gehen muss, dann Himmeldingsundbums, dann benutze auch ich eben Emojis, um die Aussage zu unterstreichen.

Doch um jetzt mal endlich zum Knackpunkt zu gelangen: Am liebsten habe ich so viel Zeit, dass meine Texte auch ganz nackig zu verstehen sind. Ohne Emojis, Emotionskommentare *rotwerd* und auch ohne Fettdruck, Kapitälchen und Kursivsatz nach Möglichkeit. Zumindest nicht mit übermäßig viel davon. Bitte keine Adverbien zählen.

Ich liebe einfach Wörter.
Worte auch, aber tatsächlich erst einmal Wörter.
Ich will sie in Szene setzen. In ein schönes Umfeld packen, in dem sie richtig zur Geltung kommen, die Beleuchtung perfekt ausrichten. Den richtigen Glitzer drüberstreuen, so dass sie einfach in all ihrer Schönheit strahlen können.

Für mich waren als Kind immer Wörter die Emotionsträger. Also quasi die Emojis meiner Kindheit, denn damals gab's ja höchstens 'nen Lach- und 'nen Traurig-Smiley. Ziemlich schwarzweiß, sich nur damit auszudrücken, versucht das mal bei WhatsApp. Aber Wörter, die transportieren so viel! Unterschiedliche Klänge, wenn man sie laut ausspricht, spannende und schöne Farben durch die verschieden Buchstabenkombinationen, und dann so viele Emotionen. Schon allein, ob da ein "sagte sie" oder ein "meinte sie" im Buch stand, ein "fragte sie" oder ein "wollte sie wissen". Ich fand Bücherlesen immer total geil, wegen der Emotionen und Farben, die mich beim Lesen umwehten. Die Wortwahl des Autors bzw. des Übersetzers zog mich immer in ein Meer voller Subtexte. Voll verborgener Geschichten, die sich in meiner Gedankenwelt entfalteten und mir Aspekte und Handlungsstränge offenbarten, die nirgendwo ausformuliert waren. Da ist es kein Wunder, dass ich mich manchmal den ganzen Tag aufs Schlafengehen freute, weil ich in der Zeit vor dem Einschlafen meine Gedanken noch einmal auf Reisen schicken konnte. Und da habe ich auch angefangen, selbst zu schreiben, erst im Kopf, bis ich es dann irgendwann auch auf Papier brachte, analog wie auch digital.

Wörter. Meine kleinen, bunten Lieblingsemojis.

Es ist ja faszinierend, wie sehr das bei richtig guten Schriftstellern funktioniert: Ihre Texte sind so geschliffen und genial, dass sie von jedem Leser so verstanden werden, wie sie gemeint wurden. Klar, es gibt immer wieder Interpretationsspielräume, aber ich habe ein ganz tolles Beispiel: Terry Pratchett und seine Scheibenwelt.
Der Mann hat ein großartiges und extrem komplexes Universum geschaffen, und das mit seinem verwirrenden aber doch so unglaublich präzisem Stil. Alle Illustrationen, die ich bisher zur Scheibenwelt gesehen habe, fangen genau das ein, was die Worte mir beim Lesen vermittelt haben. Völlig unterschiedliche Zeichner haben Bilder erschaffen, die ich als Leser sofort erkenne, ohne Probleme! Terry Pratchett war so genial, und wenn seine Texte eines sind, dann frei von überflüssigem Müll. Einfach nur pure Genialität.

Im Entmüllen von Texten bin ich im Laufe der Jahre auch immer besser geworden, habe ich übrigens festgestellt. Ist ja mein Entmüllungsblog hier, da darf ich ja nicht off-topic schreiben. Es ist immer wieder ein Spaß, durch alte Texte durchzupfeifen und sie schlanker, präziser und schärfer zu machen. Etwa vierzig Prozent aller Adverbien rauszuwerfen und überprüfen, ob ich meinen eigenen Regelkodex eigentlich befolgt habe. Hier ist er, basierend auf dem, was mir meine liebste Deutschlehrerin einst beigebracht hat:
- Keine unvollendeten Halbformulierungen. Beende einen Satz mit einem Punkt und nicht mit dreien.
- Klammern Setzen nur bei Zitaten oder anderen Stellen, wo sie hingehören: keine Klammern um ganze Sätze. Entweder gehört ein Satz in einen Text oder nicht, und dann kann er auch ganz ausgelassen werden.
- Verzichte auf "meiner Meinung nach" oder "ich meine" oder "ich glaube" oder ähnliches. Du hast diesen verdammten Text geschrieben, oder? Ist doch klar, dass das deine Meinung ist!

Ich liebe diese Regeln. Ich halte mich nicht immer dran. Aber ich versuche es, genauso, wie ich versuche, mir viel Zeit zu nehmen, um am Ende einen kurzen Text verfasst zu haben, der in meiner Prä-Einschlaf-Phantasie dann von hundert Illustratoren nahezu identisch illustriert wird.

FCK... Der hier ist aber ganz schön lang geworden, oder? (Meiner Meinung nach zumindest.)
Tja. Offensichtlich ziemlich emojional für mich, dieses Thema.

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